Seit Inkrafttreten des Mediationsgesetzes beschäftigen sich deutsche Gerichte zunehmend mit Fragestellungen im Kontext der Mediation. Zuletzt setzte sich der BGH mit der obligatorischen Streitschlichtung und der Möglichkeit auseinander, als Gütestelle anerkannt zu werden.
Eine in Berlin ansässige und auf Mediations- und Konfliktlösungsdienstleistungen spezialisierte Rechtsanwaltsgesellschaft beantragte beim Land Berlin die Anerkennung als Gütestelle.
Grundsätzlich können die einzelnen Bundesländer gesetzlich bestimmen, dass die Erhebung einer Klage erst dann zulässig ist, wenn vor einer anerkannten Gütestelle versucht worden ist, eine der folgenden Streitigkeiten einvernehmlich zu lösen, sog. obligatorische Streitschlichtung (§ 15a EGZPO):
- vermögensrechtliche Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldwert die Summe von 750 Euro nicht übersteigt,
- nachbarrechtliche Streitigkeiten über Ansprüche aus §§ 910, 911, 923 BGB und nach § 906 BGB sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Art. 124 EGBGB, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
- Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in der Presse oder im Rundfunk begangen worden sind,
- Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr).
In Berlin gibt es kein entsprechendes Schlichtungsgesetz, ebenso wenig in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Alle anderen Bundesländer haben Schlichtungsgesetze erlassen. Das Schlichtungsgesetz in Baden-Württemberg wurde jedoch zum 1.5.2013 wieder aufgehoben, ebenso jenes in Nordrhein-Westfalen zum 1.1.2008. In Sachsen-Anhalt kommt die obligatorische Streitschlichtung nur noch eingeschränkt zur Anwendung.
Dessen ungeachtet will die Berliner Rechtsanwaltsgesellschaft als Gütestelle anerkannt werden und beruft sich dabei unter anderem auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Der BGH hat nun entschieden, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft kein Recht auf Anerkennung als Gütestelle hat. Folgende Gründe sind maßgeblich:
Das Land Berlin hat von der Möglichkeit, eine landesgesetzliche Regelung zur Einrichtung oder Anerkennung von Gütestellen zu schaffen, keinen Gebrauch gemacht. Daher kann sich die Rechtsanwaltsgesellschaft weder auf § 15a EGZPO noch auf eine einfachgesetzliche Regelung berufen.
Auch aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt sich kein Anspruch auf Anerkennung als Gütestelle.
Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben.
Die Berufsfreiheit umfasst jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gilt dieses Grundrecht auch für die Rechtsanwaltsgesellschaft als juristische Person, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer natürlichen wie einer juristischen Person offensteht (BVerfG, NVwZ 2012, 1535).
Eine Einschränkung dieses Grundrechts durch Versagung der Anerkennung als Gütestelle liegt aber nicht vor. Weder ihr Recht auf freie Berufswahl ist tangiert noch wird ihr Recht auf freie Berufsausübung eingeschränkt.
Die Berufsfreiheit ist grundsätzlich nur ein Recht, das den Grundrechtsinhaber vor staatlichen Eingriffen bewahren soll, sog. Freiheits- oder Abwehrrecht. Dadurch dass das Land Berlin von seiner Möglichkeit, eine Gütestelle einzurichten, keinen Gebrauch gemacht hat, hat es lediglich unterlassen, eine Grundlage zur Erweiterung der Berufstätigkeitsmöglichkeiten der Rechtsanwaltsgesellschaft zu schaffen. Ihr wird aber nichts genommen.
Das Recht auf freie Berufsausübung wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass es den einzelnen Bundesländern überlassen ist, ob sie Regelungen zur Einrichtung und Anerkennung von Gütestellen schaffen oder nicht. Dass es dadurch in den einzelnen Bundesländern zu unterschiedlichen Gestaltungsformen außergerichtlicher Streitbeilegung kommt, ist eine hinzunehmende Auswirkung des Föderalismus.
Quelle: BGH, Beschluss v. 29.5.2013, IV AR (VZ) 3/12
J. G. Heim