

05. März 2014 |
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Die bekannten Münchener Mediatoren und Rechtsanwälte Dres. Gisela und Hans-Georg Mähler waren Pioniere bei der Einführung des außergerichtlichen Konfliktbearbeitungsverfahrens Cooperative Praxis (Collaborative Law), das in den letzten Jahren in vielen Ländern zunehmend an Bedeutung gewinnt. In Teil 1 dieses Interviews haben wir sie über die Entstehung, die Voraussetzungen und Abgrenzungen befragt. Im Mittelpunkt des zweiten Teils dieses Gesprächs stehen die Fragen: Für welche Fallkonstellationen eignen sich die unterschiedlichen Verfahren und welche Rollen und Aufgaben haben die Beteiligten? Nach welchen Kriterien können sich die Konfliktbeteiligten für die unterschiedlichen Verfahrensarten entscheiden? Wie sind die Zukunftsoptionen der Cooperativen Praxis (C.P.) zu bewerten? Frau Dr. Mähler, Herr Dr. Mähler, wenn Sie die Mediation und die Cooperative Praxis (C.P.) vergleichen, worin sehen Sie Unterschiede in den Rollen und dem systemischen Zusammenwirken der professionell Beteiligten? In der Mediation ist allein der Mediator für das Verfahren und den Ablauf verantwortlich, bei C.P. sind es die Rechtsanwälte und je nach Konstellation auch Coaches als professionell Beteiligte. Im C. P.–Verfahren treffen sie sich gegebenenfalls auch ohne ihre Parteien, um je nach Phase die optimale Verfahrensform abzustimmen. In der Mediation legt dagegen allein der Mediator - gegebenenfalls zusammen mit seinem Co-Mediator - das Verfahrensprocedere fest. Im Bewusstsein der unterschiedlichen Aufgaben auf der Verfahrens- und der Inhaltsebene (Beratung und Unterstützung ihrer Klienten) müssen Anwälte und Coaches dabei eine innere Spannung von Allparteilichkeit und Parteilichkeit ausbalancieren. Die Gefahr liegt naturgemäß darin, dass die professionell Beteiligten ihre Rollen nicht ausreichend differenzieren oder konkurrieren. Diese unterschiedlichen Rollenverteilungen bei der C.P. können auch zu einer abweichenden Choreographie führen. Die zeitliche Struktur verläuft zwar mediationsanalog, doch die Choreographie der C.P. kann umso komplexer sein, je mehr Personen professionell beteiligt sind. In den einzelnen Phasen gibt es zur internen Vorbereitung und zum Austausch je nach Aufgabenstellung und Bedarf
Darüber hinaus gibt es Reflexionstreffen der Professionellen, um ihre Aufgaben und ihre Rollen innerhalb des Verfahrens zu optimieren. Kann sich aus diesen unterschiedlichen Konstellationen nicht ein ziemlich komplexes Verfahren entwickeln? Zugegeben - diese Komplexität mag manchen abschrecken. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass es auf den Bedarf der Klienten ankommt. Und sie werden von Natur aus darauf achten, das einfachste und kostengünstigste Setting auszuwählen. Im Übrigen ist diese Komplexität nicht neu, sondern auch bei herkömmlichen traditionellen Verfahren vor Gericht anzutreffen: Dort können Anwälte und Richter, fallweise Sachverständige und Mitarbeiter des Jugendamtes, Verfahrenspfleger, Umgangspfleger, zwischengeschaltete Beratungsstellen in den verschiedensten Settings in Anspruch genommen werden - und das über zwei Instanzen. Welche Möglichkeiten haben also die Parteien, das für sie geeignete Verfahren auszuwählen? Sie haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sie bevorzugen ein rechtliches Verfahren, also die herkömmlichen anwaltschaftlichen Verhandlungen und, sollten diese nicht zum gewünschten Erfolg führen, das gerichtliche Verfahren. Oder sie wählen ein außergerichtliches Konsensverfahren: entweder Mediation oder Cooperative Praxis. Denn dies sind die beiden Konsensverfahren, die eine vorgegebene erlernbare Struktur aufweisen und die gezielt zu einem fairen, selbstverantworteten Ergebnis führen. Wann werden sich die Parteien Ihrer Ansicht nach für das traditionell rechtliche Verfahren und das gegebenenfalls gerichtliche Verfahren entscheiden? Für dieses traditionelle rechtliche Verfahren werden sich die Klienten unserer Ansicht dann entscheiden,
Nach welchen Kriterien entscheiden sich die Klienten dann für das Konsensverfahren – also entweder für die Mediation oder für das C.P.-Verfahren? Die Konfliktpartner werden diese Verfahrensform dann vorziehen,
Und wenn sich die Konfliktbeteiligten übereinstimmend für ein Konsensverfahren entschieden haben: Wann werden sie die Mediation oder wann die Cooperative Praxis wählen? Nun - sie könnten sich für die Mediation entscheiden, denn die ist normalerweise das einfachere, manchmal auch kostensparendere Verfahren. Die Cooperative Praxis wird dagegen vorgezogen,
Eine wichtige Frage wird sich den Verfahrensbeteiligten stellen: Wie wird bei dem C.P.-Verfahren mit der Vertraulichkeit umgegangen? Die besondere Struktur der C. P. bedingt, dass die Vertraulichkeit nach außen hin wie im Mediationsverfahren vollständig gewahrt wird, andererseits die Professionen untereinander von der Verschwiegenheitspflicht entbunden werden. Die Verschwiegenheit wird auch dadurch garantiert, dass sich die Anwälte verpflichten, ihre Parteien nicht vor Gericht zu vertreten, ihr Mandat also niederzulegen, falls es nicht zu der angestrebten Einigung kommt. Diese sogenannte »Disqualifikationsklausel« bewirkt einerseits, dass alle Energie auf eine Einigung ausgerichtet wird und ermöglicht andererseits, dass die Anwälte und die anderen professionell Beteiligten unter Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht untereinander abklären können, wie das Verfahren im Interesse aller Parteien optimiert werden kann. Tritt der Anwalt im Verfahren der Cooperativen Praxis dann in einem neuen Rollenverständnis auf, nicht mehr in seiner nur einseitigen und parteilichen Beraterfunktion? In der Tat: Der C.P.-Anwalt ist nicht nur gehalten, die Interessen seines eigenen Mandanten abzuklären. Zu seinem Selbstverständnis gehört es auch, mit seinem Mandanten ein Verständnis für die Sichtweise des Konfliktpartners sowie für die systemischen Zusammenhänge zu gewinnen und auf ein faires Ergebnis hin zu arbeiten. Das ist in den USA bekanntlich vom Uniform Collaborative Law Act (UCLA) aufgegriffen worden. In Deutschland hatten wir das Glück, dass eine sehr gründliche Dissertation von Martin Engel über »Collaborative Law« (2010) erschienen ist. Er untersucht darin, wie C. P. den Markt der Möglichkeiten außergerichtlicher Streitbeilegungen in Deutschland nutzenstiftend bereichern könne. Hierbei geht er ausführlich auch darauf ein, inwieweit die Grundannahmen von C. P. bei Anwälten eine Verletzung widerstreitender Interessen mit sich bringen könnte. Seine Differenzierung - zwischen den gemeinsamen Verfahrens(leitungs)interessen der Anwälte einerseits und andererseits der Beratung und Vertretung der inhaltlichen Interessen des eigenen Mandanten - war für uns in der Definition des Selbstverständnisses des C.P.-Anwaltes eine hilfreiche Leitlinie. Wir haben diesen Grundsatz in unseren »Fundamentals« als Grundlage jedes Auftrages und jeder Vollmacht festgeschrieben. Eine Frage zur Ausbildung in diesem Fachbereich: Bilden Sie selbst in der C.P. aus? Ja. Um mit der Methode der C. P. in geeigneter Weise umgehen zu können, ist in der Tat eine Ausbildung notwendig. In Deutschland hat erstmals im Jahre 2007 unser Eidos-Projekt Mediation erfahrene amerikanische Trainer (Catherine Conner als Anwältin und Randy Cheek als Familientherapeut) eingeladen. Seit 2010 werden die Ausbildungen auch von uns und anderen deutschen Instituten angeboten. Die Ausbildung ist auf 22 Stunden angelegt. Das ist deshalb hinnehmbar, weil, jedenfalls in Deutschland, ausschließlich Mediatoren oder Personen zugelassen werden, die sich in einer Mediationsausbildung befinden. Dies deshalb, weil der Mediation die gleiche Haltung zugrunde liegt und auf diese Weise viel Vorwissen abgerufen werden kann.
Auf welche Kriterien achten Sie bei Ihren Teilnehmern? Wir achten darauf, dass die Teilnehmer einen interprofessionellen Hintergrund beispielsweise als Anwälte, Psychologen, Coaches oder auch Kinderexperten mitbringen und haben nicht nur Familienmediatoren, sondern namentlich auch Wirtschaftsmediatoren einbezogen. Dies deshalb, weil die Methode offensichtlich nicht nur bei Trennung und Scheidung, bei der sie entwickelt wurde, sondern überall da erfolgreich eingesetzt werden kann, wo Beziehungskonflikte eine bedeutsame Rolle spielen. Das ist in der Wirtschaft nicht nur bei B2B-Konflikten, sondern auch der Fall innerhalb von Organisationen. Hier werden allerdings in erster Linie als Fürsprecher nicht Anwälte ausgesucht, sondern erfahrene Coaches, Supervisoren oder Unternehmensberater mit einer entsprechenden C.P.-Ausbildung. Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen: Wird sich Ihrer Meinung nach das interdisziplinäre Verfahren der Cooperativen Praxis weiter durchsetzen? Wir antworten mit einer Gegenfrage: Warum ist Mediation erfolgreich? Weil sie auf ein Urmuster der Konfliktbewältigung zurückgreift: Ein Dritter unterstützt die Parteien, ihren Konflikt selbst zu lösen. Diese Herangehensweise ist so alt wie die Konflikte selbst. Ein Konsensverfahren verlässt das Muster einer Entscheidung nach Richtig und Falsch und sucht auf der Basis unterschiedlicher Sichtweisen nach interessengerechten Win-win-Lösungen. Warum wird sich die Cooperative Praxis nach unserer Überzeugung durchsetzen? Weil sie von den gleichen Grundlagen ausgeht und darüber hinaus ein weiteres Urmuster der Konfliktbewältigung in sich birgt: das Fürsprecher-Prinzip. Wer also einen Fürsprecher an seiner Seite braucht und persönlichen Klärungsbedarf während der Verhandlungen hat, wird gerne auf C. P. zurückgreifen. Und wir glauben, aus folgenden zusätzlichen Gründen:
Liebe Frau Dr. Mähler, lieber Herr Dr. Mähler, herzlichen Dank für dieses Gespräch. Haben Sie Interesse an einer Ausbildung? Hier können Sie sich über die Einzelheiten der nächsten Ausbildungsangebote unserer Interviewpartner beim Eidos Projekt Mediation informieren.
Dres. Gisela und Hans-Georg Mähler www.eidos-projekt-mediation.de
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