

02. Juli 2013 |
Online-Schlichtung oder Online-Streitbeilegung (Online Dispute Resolution bzw. ODR) ist eine Unterkategorie der alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution bzw. ADR). Durch die Verordnung (EU) 524/2012 sowie die Richtlinie 2013/11/EU, die beide jüngst im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, wird der Online-Schlichtung zumindest im Bereich der Verbraucherstreitigkeiten EU-weit künftig größeres Gewicht zukommen. Kennzeichnend an der Online-Schlichtung ist, dass der Streitbeilegungsprozess von der Antragstellung über die Kommunikation mit den Parteien bis hin zur Lösungsfindung online stattfindet. Inhalt
I. Ablauf eines Online-Schlichtungsverfahrens am Beispiel des Online-Schlichters»Wer online einkauft, soll sich auch online beschweren können«. Unter diesem Motto steht das Schlichtungsverfahren des Online-Schlichters, einer Schlichtungsstelle, die seit 2009 auf Streitigkeiten aus dem Bereich des Online-Handels spezialisiert ist und die unter www.online-schlichter.de erreichbar ist. Die verschiedenen Verfahrensetappen des Schlichtungsprozesses finden getreu des vorgenannten Mottos online statt: 1. Online-FalleinstellungDer Beschwerdeführer begibt sich auf die Internetseite www.online-schlichter.de und stellt seinen Fall über das interaktive Formular ein. Das Formular passt sich der Fallkonstellation an: Im Falle einer Streitigkeit, die den Widerruf eines online geschlossenen Vertrags betrifft, werden beispielsweise alle notwendigen Daten abgefragt, um sofort und ohne Rückfragen einschätzen zu können, ob ein Widerruf möglich war oder nicht. Dies beschleunigt das Verfahren, da der Beschwerdeführer unmerklich auf eine »juristische Reise« mitgenommen wird und exakt die Fragen beantworten muss, die fallentscheidend sind. Um dennoch Raum für atypische Fälle oder die Schilderung von sonstigen Besonderheiten zu bieten, gibt es Freitextfelder. Das Formular ermöglicht ferner den Upload von Dokumenten, z.B. Rechnungen, Fotos. Der Schlichter erhält auf diese Weise alle notwendigen Informationen, um den Fall sofort bearbeiten zu können. Die Prämisse, dass Online-Shopper eine ideale Zielgruppe für eine Online-Streitbeilegung sind, hat sich bewährt. Rückfragen bezüglich der Bedienbarkeit des Formulars gibt es in der Praxis fast nie, obwohl diese Möglichkeit bestünde. 2. Kommunikation per E-MailNachdem der Schlichter – ein auf den Online-Handel spezialisierter Volljurist – den Fall geprüft hat, wird der Online-Händler per E-Mail kontaktiert – einem Kommunikationsmittel, das ihm als im Online-Umfeld tätigem Unternehmer entspricht. Die Schlichtungsstelle wird vorgestellt, der Sachverhalt und die Rechtslage werden geschildert. Dabei wird darauf hingewiesen, dass diese Schilderung auf den Angaben des Beschwerdeführers beruht. Der Schlichter gibt dem Online-Händler daher ausdrücklich Gelegenheit, den Fall aus seiner Sicht wiederzugeben, da dies zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen kann. Sofern der Sachverhalt eindeutig oder eine Lösung unmittelbar greifbar ist, unterbreitet der Schlichter sofort einen Lösungsvorschlag. Anderenfalls wird in Rücksprache mit den Parteien eine Lösung erarbeitet, wobei die gesamte Kommunikation per E-Mail erfolgt. 3. Keine direkte Kommunikation der ParteienIm Unterschied zur Mediation kommunizieren die Parteien nicht direkt. Sie wenden sich jeweils nur an den Schlichter. Der Schlichter informiert die Parteien jedoch kontinuierlich und präzise über Antworten der anderen Partei und den Sachstand. Die schriftliche und asynchrone Kommunikation sorgt für Entspannung des vorbelasteten Verhältnisses. Ferner besteht so keine Notwendigkeit, einen Termin zu finden der allen Parteien gelegen ist. 4. Schlichtungsvorschlag auf Basis des geltenden RechtsDer Schlichter unterbreitet den Parteien einen Lösungsvorschlag. Grundlage des Vorschlags ist die objektive Rechtslage, wobei Wünsche der Parteien berücksichtigt und flexible Lösungen gefunden werden können, nachdem durch Kenntnis der Rechtslage wieder »Waffengleichheit« zwischen den Parteien hergestellt wurde. Die Teilnahme am Verfahren ist freiwillig. Das Verfahren endet erst, wenn die Parteien bestätigen, dass entsprechend des Schlichtungsvorschlags verfahren wurde. II. Vorteile und Herausforderungen der Online-SchlichtungSich online zu beschweren sollte so einfach und komfortabel sein wie der Online-Kauf selbst. Ein klassischer Fall für eine Online-Schlichtung ist die Lieferung von mangelhafter Ware, beispielsweise eines defekten Handys. Online-Shopper erwarten hier keine langwierigen und formalistischen Verfahren, sondern schnelle Abhilfe und pragmatische Lösungen. 1. Zeit- und ortsunabhängiges VerfahrenEine Falleinstellung ist rund um die Uhr und bequem von zu Hause oder jedem anderen Ort der Welt aus möglich. Dies ist umso wichtiger in einem Geschäftsbereich, in dem weite Distanzen zwischen den Parteien typisch und ein Bestellen zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich ist. Jede Partei kann das Verfahren auch zu einer für sie passenden Zeit weiterbetreiben, die Notwendigkeit der Festlegung von Anhörungen oder Terminen entfällt. 2. Beschleunigung des Verfahrens bei gleichzeitiger KosteneinsparungOnline-Kommunikation greift auf Mittel zurück (E-Mail bzw. Internet), die beide Parteien ohnehin zur Verfügung haben. Druck-, Porto-, oder Reisekosten entfallen. E-Mails werden binnen Sekunden zugestellt und ermöglichen im Einzelfall die Falllösung innerhalb von 24 Stunden. Auf eine gründliche und umfassende Fallbearbeitung muss dennoch nicht verzichtet werden, da sowohl über das Formular als auch per E-Mail Fotos, Dokumente und umfassende Fallschilderungen übersandt werden können. 3. Entscheidung anhand von DokumentenEinzige Herausforderung für den Schlichter ist, dass er den Streitgegenstand nicht in Augenschein nehmen kann. Unter Ausschöpfung vorbezeichneter Mittel lassen sich jedoch auch Gewährleistungsfälle online schlichten. So ist es beispielsweise ohne Probleme möglich, das bei der Lieferung beschädigte Möbelstück zu fotografieren und die Fotos weiterzuleiten. Da das Verfahren ohnedies Freiwilligkeit beider Parteien und damit ein gewisses Vertrauen voraussetzt, kommt es in der Regel auch nicht auf einen absoluten Beweiswert im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) an. Vielmehr ist die Indizwirkung etwa eines Fotos ausreichend. Insgesamt verhält sich die Online-Streitbeilegung spiegelbildlich zum Online-Einkauf: unkompliziert, schnell und modern. III. Internetlösungen für Online-SchlichtungsstellenInternetauftritte von Online-Schlichtungsstellen sind zumeist komplex und umfassen mehrere Funktionen. Die Ausgestaltung variiert, am Beispiel des Online-Schlichters soll ein Überblick über die möglichen Funktionen gegeben werden. Eine Internetseite mit Informationen zur Schlichtungsstelle und dem Formular zur Falleinstellung ist der nach außen sichtbare Bereich. Beschwerdeführer und Beschwerdegegner steht ein Log-In Bereich zur Verfügung, in dem sie den Fall einsehen, ihre Kontaktdaten ändern und dem Schlichter auf sichere Weise weitere Daten zukommen lassen können. Der Schlichter verfügt über ein eigenes Back-End, mit dem er den Fall bearbeiten kann. Von Vorteil ist hier eine Fallbearbeitungssoftware, die halbautomatische und automatische Prozesse ermöglicht, z.B. Wiedervorlage, Mailtemplates, Statistik. Auf diese Weise kann der Fall vollständig online und mit minimalem Personalaufwand bearbeitet werden. Die Möglichkeiten für die individuelle Ausgestaltung von Internetlösungen sind unbegrenzt. Schlichtungsstellen, deren Verfahren kostenpflichtig sind, können den Beschwerdeführern beispielsweise eine Online-Begleichung von Gebühren ermöglichen. Schlichtungsstellen, die Anhörungen durchführen, ermöglicht ein Online-Tool die Terminkoordinierung des Entscheidungsgremiums und der Parteien und es ließen sich Videokonferenzen einbinden. IV. Erfahrungen mit der Online-SchlichtungAuch wenn Online-Schlichtung im internationalen Vergleich in Deutschland keine lange Tradition hat, stößt sie auf positive Resonanz bei Verbrauchern wie Unternehmern. Der Online-Schlichter ist seit 2009 tätig und weist seit dieser Zeit eine Erfolgsquote von rund zwei Dritteln auf, eine gute Quote in Anbetracht der vollständigen Freiwilligkeit des Schlichtungsverfahrens. Die Fälle werden in rund sechs Wochen gelöst, wobei der Fall erst geschlossen wird, wenn die Parteien bestätigen, dass auch tatsächlich entsprechend der Vereinbarung verfahren wurde, also z.B. die Ware ausgetauscht wurde. Online-Schlichtung ist auch im Cross-Border Bereich möglich, d.h. wenn die Parteien aus verschiedenen Mitgliedstaaten der EU kommen. Der Online-Schlichter arbeitet hier mit den Europäischen Verbraucherzentren zusammen – Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland –, die über ihr Netzwerk die Brücke zur Sprache und zum Recht des Verbrauchers schlagen. Dies wird im Übrigen auch in der Verordnung (EU) 524/2013 sowie in der Richtlinie 2013/11/EU angeregt. Der Online-Schlichter berücksichtigt bereits heute die Qualitätskriterien für außergerichtliche Streitbeilegung gemäß der Empfehlung der Kommission 98/257/EG, die sich in weitem Umfang in der Richtlinie 2013/11/EU wiederfinden. Als besonders erfolgreich hat sich im Fall des Online-Schlichters das Konzept einer gemischten Förderung von im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Schlichtungsstelle sorgfältig ausgewählten Wirtschaftspartnern einerseits – Trusted Shops, DEVK-Versicherungen, BDD – und öffentlicher Hand andererseits – Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz – bewährt. Durch die Schlichtungsstelle wird auf einen Blick transparent und greifbar, dass der Online-Schlichter Mittler zwischen Unternehmer und Verbraucher ist. Sie steht auch im Einklang mit der Richtlinie 2013/11/EU. Eine bundesweite Zuständigkeit der Schlichtungsstelle, ganz im Sinne der Richtlinie, ist angestrebt – bisher ist die Zuständigkeit an einen Bezug zu einem der jeweiligen Finanzpartner geknüpft. Online-Schlichtung wird in anderen EU-Mitgliedsstaaten ebenso erfolgreich praktiziert. Als Beispiele seien der Internetombudsmann Österreich, »Belmed« aus Belgien und »De Geschillencommissie« aus den Niederlanden erwähnt. Die Beispiele der Nachbarländer legen nahe, dass Online-Schlichtung in Deutschland kontinuierlich fortschreiten wird. Felix Braun, Rechtsassessor und Projektleiter »Online-Schlichter« Andrea Klinder, Rechtsassessorin und Schlichterin »Online-Schlichter« |