

27. Mai 2014 |
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Selten nur verlaufen Mediationen friedlich und kooperativ von der Auftragsklärung bis zur Abschlussvereinbarung. Starke Emotionen sind normal, und nicht selten auch Aggressionen in ihren verschiedenen Formen (vgl. dazu Praxistipp Teil 2). Mit diesen Emotionen müssen wir in der Mediation umgehen und können es auch – wer, wenn nicht wir Mediatoren? Voraussetzung dafür ist, dass wir einerseits uns selbst und unseren Umgang mit Aggression kennen: Bin ich eher robuster als andere und muss also besonders sensibel darauf achten, wenn eine Situation für meine Medianden zu viel wird? Oder werde ich in scharfen Auseinandersetzungen eher ängstlich und muss also darauf achten, arbeitsfähig zu bleiben, wenn meine Medianden sich bekriegen? (vgl. dazu Praxistipp Teil 1). Andererseits nützt die ganze Handlungsfähigkeit nichts, wenn ich nicht weiß, wie ich handeln soll. Was können wir tun, wenn es zu Aggressionen in der Mediation kommt? Der weitaus häufigste, geradezu normale Fall sind verbale Angriffe in der Mediation. Dazu möchte ich hier ein mögliches Handlungsschema aufzeigen. Was ist das eigentlich, verbale Aggression?Zunächst: Was ist das eigentlich, verbale Aggression? Die Grenzen sind schwimmend. Wer definiert den Unterschied zwischen »deutliche Aussprache mit erhobener Stimme« und »Anschreien«? Antwort: Die andere Partei. Darauf nämlich kommt es an: Fühlt sich ein Mitarbeiter nicht weiter davon erschreckt, dass seine Chefin in der Mediation sehr laut mit ihm redet, dann ist es nicht erheblich, ob der Mediator dies als »Anschreien« empfindet. Hauptsache, die Auseinandersetzung kann konstruktiv weitergeführt werden. Das wäre dann nicht möglich, wenn sich jemand übermäßig attackiert fühlt, und deshalb ängstlich oder seinerseits aggressiv wird – auch wenn der Mediator das nicht gleich nachvollziehen kann, weil es aus seiner Sicht nicht ganz so dramatisch wirkte. Der Mediator wird daher immer ein Auge auf die zuhörenden Parteien haben und an ihrer Reaktion merken, wenn die Diskussion entgleist. HandlungsmöglichkeitenWas ist dann zu tun? Vor allem: die Situation ernst nehmen, ohne zu dramatisieren. Da ist jemand sehr erregt, und er hat dafür Gründe. Und da fühlt sich jemand angegriffen, und auch er hat dafür Gründe. Es gilt Schritt für Schritt die subjektiven Beweggründe beider Seiten herauszufinden:
Die Medianden selbst haben in der Regel Sorge vor Eskalationen. Da sie sich kennen und um ihre Schwächen wissen – um die eigenen und, noch viel genauer, um die des anderen, werden sie diese Sorge in der ersten Phase (Rahmenklärung) oft andeuten. Wenn Sie dann mutig nachfragen, können Sie vorab zu Verabredungen kommen. Eine Frau äußerte zum Beispiel ihre Sorge vor den »cholerischen« Anfällen ihres Exmannes. Dieser sah das ein und wir verabredeten, dass die Frau(!) ein bestimmtes Signalwort sagen wird, wenn sie Angst in sich aufsteigen fühlt, und wir Mediatoren wurden von beiden(!) beauftragt, den Mann dann zu unterbrechen. Genau so geschah es einige Zeit später, und wir konnten entlang der oben beschriebenen Schritte die Situation durchbrechen und gemeinsam genauer betrachten. Im Ergebnis empfand die Frau zunächst für den Mediationsprozess, darüber hinaus aber auch für die weiteren Begegnungen mit ihrem Mann mehr Sicherheit: Seinen lautstarken Ausbrüchen war sie nicht mehr ganz so hilflos ausgesetzt, sondern hatte seine Bereitschaft und Fähigkeit erlebt, sich zurückzunehmen, wenn er klare Signale erhält. Ja, Aggression in der Mediation ist eine Herausforderung. Aber wir sind nicht hilflos, sondern können eine innere Haltung dazu entwickeln und uns Vorgehensweisen bereitlegen, mit ihnen umzugehen.
»Praxistipps für schwierige Situationen in der Mediation« Teil 1 »Praxistipps für schwierige Situationen in der Mediation« Teil 2
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